Woher kommt der Ziesel?
An einem Samstagmorgen in Schwaz in Tirol. Steile Berge und viel Schnee im Winter. Da kommen die Einheimischen auf Ideen. Vor Allem, wenn sie wie Alois Bauer Karosseriebaumeister, Kfz-Techniker und auch noch Diplom-Ingenieur sind. Elektrische Mobilitätslösungen für eine saubere Umwelt sind das Ziel seiner Fahrzeugschmiede Mattro Mobility Revolutions GmbH.
Mattro die Ziesel Produktion in Schwaz Foto: Hannes Schleeh
Direkt am Parkplatz des Silberbergwerks in Schwaz ist der Firmensitz der pfiffigen Österreicher. Dort wird demnächst der Ziesel gebaut. Aber was bitte ist ein Ziesel, werdet Ihr Euch jetzt vielleicht fragen? Der Ziesel ist eine Unterart der Erdhörnchen und ein flinkes Tier.
„Goldmantelziesel“. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.
Elektrische Leistung pur
Genauso flink ist das von zwei Elektromotoren angetriebene Raupen-Fahrzeug von Mattro in Schwaz. Bis zu 35 Kilometer pro Stunde schafft der bis zu dreihundert Kilo leichte Einmann-Rollstuhl. Dabei ist ihm keine Steigung zu steil oder Hang zu schräg.
Der Ziesel schießt bergauf Foto: Hannes Schleeh
Durch einen extrem tiefen Schwerpunkt ist ein seitliches Umfallen nahezu unmöglich. Steigungen bis zu 60 Prozent meistert der extrem kleine Raupenfahrstuhl. Nur 1,32 Meter lang und mit 1,20 Meter fast genauso breit kommt man damit fast überall hin. Wenn der Ziesel kippt, dann höchstens nach vorne oder hinten. Deshalb wird der Insasse mit einem Vier-Punkt-Gurt in einem Schalensitz festgeschnallt und durch einen Überrollkäfig aus Stahlrohr geschützt.
Hören kann man den kleinen Racker nur durch das Abrollgeräusch der Gummiketten auf dem Untergrund. Motorengeräusch? Fehlanzeige für den heftigen Vortrieb sorgen zwei Elektromotoren, die direkt die beiden Raupen mit einem Wahnsinnsdrehmoment von über 500 Newtonmeter antreiben. Als Anfänger übt man deshalb erst einmal in der niedrigsten der insgesamt vier Fahrstufen.
Zwei Scheibenläufermotoren mit je 4,4 kW treiben den Ziesel an Foto: Hannes Schleeh
Sicherheit durch Redundanz und tiefen Schwerpunkt
Zwischen den beiden Raupen soweit unten wie möglich befindet sich der Akkumulator, der aus Lithium-Ionen Zellen besteht. Darüber befindet sich die redundante Steuerelektronik. Alles ist doppelt, damit bei einem Ausfall eines Systems das Fahrzeug sicher und fahrbar bleibt.
Redundante Steuer-Elektronik im Ziesel Foto: Hannes Schleeh
Mit einer vollen Akku-Ladung kann man in der mittleren der vier Fahrstufen vier bis fünf Stunden mit dem Ziesel Spass haben. Am normalen Ladegerät dauert es dann circa vier Stunden bis der Feuerstuhl wieder voll einsatzbereit ist. Mit Spezial-Ladegeräten wäre eine Ladezeit von eineinhalb Stunden möglich.
Spass im Schnee mit dem Ziesel Foto: Mattro.eu
Spass und Arbeit zugleich – der Ziesel schlägt den Quad
Das so ein Gerät Spass macht, hat auch Stefan Raab in seiner Sendung erfahren. Bei Schlag den Raab musste er gegen seinen Herausforderer auf einem Strohballen-Kurs um die Wette fahren. Raab konnte die Runde klar für sich entscheiden.
Einsatzgebiete des Ziesels sind, außer im Fun- und Action-Bereich, in der Landwirtschaft und als Rettungsgerät in den Skigebieten. Denn ziehen kann der Ziesel einiges. Trotz seines geringen Gewichts und seinen sehr überschaubaren Abmessungen ist er in der Lage auch schwere Gewichte zu schleppen. Aus dem Stand zieht er bis zu einer Tonne locker weg.
Gesteuert wird das Allround-Gerät nur mit einem Joystick. Egal in welche Richtung man den Stick bewegt, der Ziesel befolgt den Befehl sofort. Wie bei einem Panzer kann man damit auf der Stelle drehen. Dann bewegen sich die Raupen gegenläufig.
Der einzige Wermutstropfen an diesem tollen Gerät ist der Preis. In der einfachsten Ausstattung liegt der Ziesel bei 19.800,00 Euro netto. Dazu muss man auf alle Fälle ein Ladegerät rechnen. Damit kostet der kleine Racker soviel wie ein Kleinwagen.
Ich bin das Gerät in Schwaz auf Schotter Probe gefahren. Das hat schon viel Spass gemacht. Aber ich kann mir noch viel mehr Spass damit auf Schnee oder weichem Sand vorstellen. Da sind dann geile Drifts möglich und kleine Fahrfehler schlagen auf dem weichen Untergrund nicht gleich so hart auf den Fahrer durch.
Ziesel Armlehnen aus Eiche und Nussholz Foto: Hannes Schleeh
Der Ziesel im Landwirtschaftlichen Einsatz
Der Ziesel hat aus meiner Sicht Zukunft, nicht nur als Fun-Gerät. In speziellen Einsatzsituationen kann man mit so einem Fahrzeug sicher besser arbeiten als mit andern Geräten.
In der Landwirtschaft wird der Ziesel derzeit häufig im Bio-Weinbau eingesetzt. Sein geringes Gewicht und die breiten Raupen ergeben einen extrem niedrigen Bodendruck von nur 4,8 kg/dm² das kombiniert mit der extrem guten Zugkraft und sehr geringen Abmessungen prädestiniert das Fahrzeug für den Einsatz zwischen den Rebstöcken.
Außer im Wein und Obstbau kann das Raupenfahrzeug als universelles, kompaktes Zuggerät auf jedem landwirtschaftlichen Betrieb eingesetzt werden. Vom Transportfahrzeug bis zum elektrischen Schneemobil. Laut dem Hersteller besteht eine große Nachfrage aus diesen Bereichen nach Anbaugeräten. Deshalb wurde die Rahmenkonstruktion des Ziesel mit Anschraubpunkten versehen, mit optionalen Aufsätzen für verschiedene Anwendungen.
Passend zu diesen Anschraubpunkten werden mit bekannten Geräteherstellern Anbaumaschinen wie z.B. Mähwerke und Schneepflüge entwickelt. Für die Versorgung mit Energie wird eine elektrische Schnittstelle geschaffen damit diese Anbaugeräte auch elektrisch betrieben werden. Die extreme Steigungsfähigkeit und Geländegängkeit prädestiniert den Ziesel besonders für Bergbauern in Gegenden wie den Alpen.
Entstanden ist der Ziesel aus einer Schnapsidee. Alois Bauer hat in seiner Firma schon andere Fahrzeuge entwickelt, die auf Raupen und mit elektrischem Antrieb fahren. Eines seiner Projekt ist der Steinbock, der auf vier Raupen fährt.
Eines Tages baute er zwei Raupenfahrwerke unter einen Schalensitz und fertig war der Ziesel. Wie er mir bei meinem Besuch in Schwaz erzählte, stellte er einfach ein Video von dem fahrenden Raupen-Rollstuhl auf YouTube um zu sehen welche Resonanz er bekommt. Das Ergebnis waren Anfragen aus aller Welt. Alois Bauer beschloss daraufhin den Ziesel fertig zu entwickeln. Da Mattro eigentlich eine reine Projektentwicklungsfirma war, stand dann die Entscheidung, das Konzept zu verkaufen oder selbst zu produzieren an.
Man entschloss sich zur eigenen Produktion. Neben dem Firmengebäude in Schwaz wurden Hallen angemietet, in denen in Kürze die Produktion des Ziesel in größeren Stückzahlen statt finden wird.
Wer als Landwirt das Gerät erst einmal testen möchte, der kann sich einen Ziesel auch mieten. Von einem Tag bis zu einem halben Jahr bietet der Hersteller Mietlösungen an. Auch gewerbliches Leasing ist möglich. Wer sich dafür interessiert, sollte mit den netten Menschen bei Mattro Kontakt aufnehmen.
Enhanced Crosspost von schleeh.de
Pingback: [Agrar-Blogger] Quads sind out – Heute fährt der Landwirt Ziesel | netzlesen.de
Hat dies auf http://www.ne-na.de rebloggt und kommentierte:
Elektromobilität vom Feinsten – Der Ziesel flink wie ein Wiesel und dabei Umwelt schonend und leise.
Pingback: Woanders – Der Wirtschaftsteil | Herzdamengeschichten
Wie cool ist das Teil denn? 😀 Endlich ein kleiner “Panzer” für den Garten 😉 Ich denke mir, dass der kleine schon Spaß macht. Auch wenn mir 35km/h doch was wenig sind. Da schafft ein Quad/ATV aber mehr 😉 Dennoch cool!
LG
Ben
Pingback: Ziesel – Der ultimative Spaß für grosse Gärten
Da bekommt man sofort Lust auf eine “Probefahrt”! Habe gleich mal einen kleinen Artikel mit Pingback dazu geschrieben: http://www.gartenkumpel.de/ziesel-der-ultimative-spass-fuer-grosse-gaerten/. Würde den Ziesel wirklich gerne mal einen Nachmittag lang fahren, auch wenn ich nicht Rollstuhlfahrer bin.