Hört auf zu jammern! Angelt lieber!

Foto: Pixabay

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Von Thies Schmoldt

Die jetzige Situation vieler Betriebe ist existenzgefährdend und mit früheren Branchenkrisen nicht vergleichbar. Das Problem ist allerdings, dass schon seit Jahrzehnten die Hauptkommunikation an die Gesellschaft war, dass es gerade sehr schlecht ist. Wie glaubhaft klingt es dann zu sagen: „Jetzt geht es uns aber tatsächlich richtig schlecht.“ Das stimmt zwar, aber das will keiner mehr hören.

Der Verbraucher muss das erfahren, aber er will es gar nicht wissen. Nur weil ein Kind Spinat essen muss, ändert das nichts daran, dass es aber keinen Spinat essen will. Und zu sagen, wie schlecht es einem geht, ist keine Öffentlichkeitsarbeit und kein Marketing. Würdet ihr bei einem Landhändler einkaufen, der dauernd bettelt: „Kaufe bitte große Mengen zu einem höheren Preis bei mir, weil es mir wirtschaftlich so schlecht geht?“ Da rechnet man doch eher mit der baldigen Insolvenz und schaut sich nach anderen um.

Natürlich jammere ich auch gerne über die jetzige Situation und die Diffamierung durch bestimmte Gruppen. Das ist menschlich und das muss sein, weil man ansonsten irgendwann platzt. Aber man muss bedenken, dass das Jammern nur bei einem Menschen das Bewusstsein verändert… und dieser Mensch ist man selbst. Man jammert, weil man ein Ventil für den Frust braucht und die Umstände als unfair empfindet, aber ändert das etwas an den Umständen? Jammern ist wie Petzen in der Schule. Die Bürgerinitiativen und Anti-Landwirtschaftsverbände schießen mit Papierkugeln und sofort wird der Lehrer darauf hingewiesen. Wir wissen alle wie beliebt Petzen sind. In der jetzigen Situation ist die Forderung nach finanzieller Hilfe legitim, aber wenn es dann hoffentlich wieder läuft, sollte nicht erst bis zur nächsten Krise mit der Öffentlichkeitsarbeit gewartet werden.

Deswegen ist es wichtig mal Dampf abzulassen und wenn eine große Demo unwahre Parolen vor dem Reichstag propagiert, muss man klar Flagge dagegen zeigen. Aber es darf nicht der Hauptkommunikationsweg sein. In meinem eigenen nicht-landwirtschaftlichen Freundeskreis nervt es mittlerweile einige, dass ich immer auf die Anti-Agrar-Bewegungen schimpfe.

Umfassende Transparenz ist ein gutes Mittel und sollte auch genutzt werden, aber sie darf nicht unkommentiert bleiben. Eure Kollegen interessiert euer Betriebsspiegel mit Hektarangaben und Eigenlandanteil und GV, aber den Verbraucher müsst ihr anders ansprechen. Wenn ihr einen Engländer vor euch habt, der kein Deutsch versteht, sprecht ihr doch auch auf Englisch. Wenn ihr trotzdem Deutsch redet, nur weil ihr Deutsche seid, wird er eure Aussagen nicht verstehen. Deshalb sprecht mit dem Verbraucher „Verbraucherisch“. Unkommentierte Fachbegriffe zeigen zwar, dass ihr die Fachexperten in dem Thema seid, aber der Verbraucher versteht dann nicht, von welchem Thema ihr überhaupt redet. Es ist egal, ob ihr 5, 100 oder 5000 Schweine haltet.

Sagt, ihr haltet Schweine und ihr liebt die Viecher mit ihren Steckdosen. Mit der Angabe 100 Hektar kann der Laie nichts anfangen. Vorgestern habe ich dazu einen super Satz gehört: „Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.“ Und ihr wollt die Gesellschaft angeln.
Die Leute in der Stadt haben großes Interesse an eurer Arbeit. Häufig wird die Romantisierung der Landwirtschaft verteufelt. Aber dieser Trend zeigt doch eins: Die Stadtbevölkerung hat Sehnsucht zum Landleben und wäre gerne an eurer Stelle. Die sind neidisch auf euch! Und Neid ist die beste Bestätigung dafür, dass ihr den besten Job der Welt habt und den super macht.

Und gerade dieser Kontrast zwischen schönem Garten mit kleinen Blumenbeeten und einem modernem Betrieb und innovativer Technik ist ein riesiger Bonus. Kontraste fallen auf. Da rechnet niemand mit. Von einem Marketingfachmann habe ich den Satz zu hören bekommen: „Auffallen oder untergehen.“ Einen Artikel, in dem das steht, was man erwartet, braucht man nicht mehr zu lesen. Erzeugt er durch vermeintliche Unstimmigkeiten Aufmerksamkeit, wird er gelesen. Ruft euren Lokalredakteur der regionalen Presse an und sagt, ihr wollt einen ganzseitigen Bericht über euren Hof. Ihr baut gerade keinen Stall und ihr habt nichts Aktuelles vorzustellen? Doch ihr habt euch selbst und euren Betrieb, der einzigartig ist. Von den hunderttausenden von Höfen in Deutschland ist kein Betrieb so wie eurer. Und auf dem Rest der Welt gibt es auch keinen. Ihr und euer Betrieb seid Unikate.

Ihr verkauft euren Betrieb wie ein einzigartiges Kunstwerk, das ihr zusammen mit eurer Familie gemalt habt. Und dieses Kunstwerk wird nie fertig sein, weil jede Generation wieder ihre eigenen Pinselstriche hinzufügt. Also ist es auch für immer interessant für Jedermann auf dem neusten Stand zu sein, was bei euch passiert.

Das Ganze kostet Zeit und Geld und man kann nicht sehen, welchen Nutzen das am Ende wieder in harten Euros hat. Darüber jammern viele Marketing- und PR-Beauftragte, weil ihnen dadurch die Finanzabteilung dauernd im Nacken sitzt und sie ihre Stelle rechtfertigen müssen. Aber man kann sogar ziemlich genau sagen, wieviel Geld gute Öffentlichkeitsarbeit bringt. Es ist exakt der Wert der gesamten landwirtschaftlichen Einnahmen eures Betriebes. Sind die Bürger in der Gemeinde informiert, entstehen keine diffusen Ängste und jeder Bürgerinitiative wird der Wind aus den Segeln genommen. Macht ihr das nicht und euer Stallneubau wird verhindert, entwickelt der Betrieb sich nicht weiter und eure Generation war die Letzte, die den Hof bewirtschaftet hat. Dann ist der Laden dicht und es kommen gar keine landwirtschaftlichen Einnahmen mehr rein. Wer eine Diskussion eröffnet, hat sie eigentlich schon gewonnen.

Manche haben Angst davor schlafende Hunde zu wecken. Aber ein ausgeschlafener Hund beißt kräftiger zu. Redet über euren Betrieb, bevor andere es tun. Das habe ich bei einem DLG Vortrag gehört: Als Unternehmer ist Öffentlichkeitsarbeit für euch erfolgsrelevant und entscheidet am Ende über die Betriebsexistenz. Öffentlichkeitsarbeit wird für eure Produktion so wichtig sein wie Diesel im Tank und Futter im Trog.

Es gibt in der Branche schon sehr gute Vorbilder. Direktvermarktungsbetriebe machen mit der Werbung für ihre Produkte gleichzeitig Öffentlichkeitsarbeit. Großes Lob hier an die Winzer, Obst-, Spargel-, Weihnachtsbaum-, Erdbeer-, Gemüsebauern, die Ferienhöfe usw. Auf der Grünen Woche habe ich wieder viele Frauen und Männer aus der Landwirtschaft (Direktvermarkter und Nicht-Direktvermarkter) getroffen und dachte: „Oh Junge, so wäre ich auch gerne.“ Das sind innovative Unternehmer, die ihren Betrieb ihrer Persönlichkeit entsprechend entwickeln. Wer kann das schon? Da beneide ich diese Menschen für. Aber das ist ja jetzt schon wieder verkapptes Gejammer 😉

Wenn ihr öffentlich auftretet, sollt ihr selbstbewusst auf „Verbraucherisch“ kommunizieren. Zeigt was auf euren Höfen klasse läuft. Was nicht so klasse läuft, gehört in die Betriebszweigauswertung und nicht in eine öffentliche Präsentation. Die würde man ja auch nicht veröffentlichen. Hier mal ein Grundschema für solche Anlässe als Muster zum Abschluss. Ich bin ein super Typ und habe gerade einen spitzen Text geschrieben. Das Einzige Nicht-Tolle an mir ist, dass ich keinen Betrieb habe und das zeigt euch, was ihr für super Typen seid. Nehmt den richtigen Köder und dann Petri heil!

Anm. d. Red.:

Diesen Beitrag schrieb Thies Schmoldt vor zwei Jahren auf seiner Facebookseite. Er hat nichts an Aktualität eingebüßt.

2 Gedanken zu „Hört auf zu jammern! Angelt lieber!

  1. franzkinker

    Ich geb dir völlig Recht, Thies: Wir müssen uns in unsere Kunden hineindenken und spüren, was sie von uns erwarten. Mit der Romantisierung der Landwirtschaft kann man- so meine ich – einige Wunden wieder heilen. Realität ist, dass Grossbetriebe bleiben und weiter wachsen werden. Hier sollte sich die Politik schleunigst etwas einfallen lassen, um die Kleinen in unserer Branche am Leben zu erhalten.

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