Gast-Kommentar zum Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“

Thomas Wengenroth, stallbesuch.de

Thomas Wengenroth, stallbesuch.de

Am 25. März 2015 legte der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik ein Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ dem Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Christian Schmidt, vor.

Seitdem erhitzt das in drei Varianten (Kurz-, Zusammen- und Langfassung) vorliegende Dokument die Gemüter.

Thomas Wengenroth (Gründer und Betreiber von stallbesuch.de) hat das rund 400 Seiten lange Gutachten komplett gelesen und zieht sein Fazit – hier die Kurzfassung:

Offene Fragen

Das Gutachten beschreibt die zahlreichen Probleme der Nutztierhaltung völlig zutreffend und bietet Lösungswege an. Allerdings stolpert man beim Lesen über einige Unklarheiten und findet Punkte, die einer nochmaligen Betrachtung würdig wären.

So wird ein hoheitliches Label gefordert, in dem alle vorhandenen Labels aufgehen sollen und dann empfiehlt der WBA „den Unternehmen der Fleischwirtschaft und des Lebensmittelhandels Verkaufsstrategien für Fleisch aus besonders tiergerechter Haltung aufzubauen (z. B. durch die Etablierung von Marken und Labeln), um Marktchancen zu nutzen.“

An einer Stelle werden Kosten erwähnt, die der Landwirt nicht ersetzt bekommen soll, ohne dass deren Ursache oder Höhe genauer benannt werden.

Besonders kritisch sind aber die Einlassungen zu den nicht-kurativen Eingriffen zu sehen und deren Ankündigung „mit einer realistischen Umsetzungsfrist von ca. 3 Jahren (Puten ca. 5 Jahre)“.

Im Licht der aktuellen Blaha-Studie zum Ringelschwanz und zweier weiterer Studien zum gleichen Thema, die beide aus Tierschutzgründen abgebrochen werden mussten, sollten diese Fristen nochmals überdacht werden. Auch nach dem Niedersächsischen Tierschutzplan soll ab 2018 auf Amputationen bei Schweinen, Hühnern, Puten verzichtet werden. Die an entsprechender Forschung beteiligte Wissenschaftler und auch verantwortliche Mitarbeiter des Landesministeriums bezeichnen den Zeitplan jedoch als „sehr ehrgeizig“.

Dieses Problems scheinen sich die Autoren bewusst zu sein:

„Bei der Produktion ohne Schwanz- und Schnabelkürzen existieren derzeit noch nicht ausreichende Praxiserfahrungen, und es verbleiben daher Restrisiken. Zu prüfen wäre daher die Unterstützung beim Aufbau eines im Wesentlichen privatwirtschaftlichen Risiko- und Beratungsfonds, um Tierhalter zumindest während einer Übergangszeit zu unterstützen. Darüber hinaus sind angesichts der Komplexität der Herausforderung koordinierte Begleitprogramme mit Schulungsangeboten und die Unterstützung beim Einsatz von Betriebsmanagementhilfen wichtig.“

An anderer Stelle, als es um die Stärkung der 2. Säule-Mittel auch für Tierwohlmaßnahmen geht, heißt es: „Beispiele für mögliche Maßnahmen sind Zahlungen für  insbesondere tierbezogene Erfolgskriterien wie das Vorhandensein unversehrter Schwänze.“

Schon bei der Diskussion um eine „Ringelschwanzprämie“ aber, fragte Prof. Blaha zu Recht, ob denn 29 % abgebissene Schweineschwänze akzeptabel sein könnten?

Mit dem Kupieren soll es ein Ende haben, darüber herrscht weitestgehend Konsens. Feste Termine sind wegen der Planungssicherheit unverzichtbar, sollten aber mit Bedacht gewählt werden. Und da Bauern schon mal dazu neigen, terminierte gesetzliche Vorgaben erst in letzter Minute anzugehen, wäre in diesem Fall vielleicht ein Stufenmodell angebracht.

Schlussbemerkungen

Der Wissenschaftliche Beirat hat viel Mühe darauf verwandt der Komplexität des Themas gerecht zu werden und in weiten Teilen ist ihm dies wirklich gut gelungen. Im Gutachten selbst fehlen auch Hinweise auf Zielkonflikte nicht (Weidegang und Emissionen, Freilandhaltung und Parasitendruck, Tierschutz und Arbeitsschutz).

Nimmt man aber alle Forderungen nach größeren, tiergerechten Ställen, verbesserter Sachkunde, Fortbildungs-Verpflichtungen und erhöhten Management-Anforderungen zusammen, fällt es schwer sich deren Umsetzung im kleinbäuerlichen Betrieb vorzustellen. Der Verbraucherwunsch nach idyllischer Landwirtschaft wird unerfüllbar bleiben. Es läuft alles auf eine Zukunft der Großbetriebe hinaus.

Die Langfassung des Kommentars ist unter http://www.stallbesuch.de/kommentar-zum-gutachten-wege-zu-einer-gesellschaftlich-akzeptierten-nutztierhaltung/ zu lesen…

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