Ob Glyphosat oder Tierhaltung: Die Landwirtschaft ist ein gefundenes Fressen für Kritik-Kampagnen, denn es lassen sich emotional wirkende Bilder zeigen. Können Landwirte überhaupt etwas dagegen tun? Ja, sagen Sönke Hauschild und Dietrich Holler.
Zwanzig Jahre sind vergangen, doch mit dem Begriff können viele noch etwas anfangen: Brent Spar. Der schwimmende Öltank in der Nordsee war Mitte der 1990er das Objekt einer bis dahin fast beispiellosen Kampagne der Öko-Aktivisten von Greenpeace. Die Fakten sind rasch erzählt: Der Ölkonzern Shell wollte den ausgedienten Tank im Meer versenken und so entsorgen. Britische Behörden hatten das Vorhaben genehmigt. Greenpeace kritisierte, Brent Spar enthalte Unmengen an Schadstoffen und berge unabsehbare Risiken für das Meeresleben. Zunächst gaben die Aktivisten mit 100 Tonnen Ölrückständen die korrekte Zahl an, schoben diese später aber auf das 50-fache nach oben. Mit der Besetzung von Brent Spar durch Aktivisten erreichte Greenpeace ein wichtiges Ziel der Kampagne: Macht über die Bilder und eine umfangreiche Berichterstattung in den Medien. Die Umsätze an Shell-Tankstellen gingen um bis zu 50 % zurück. In Hamburg gab es einen Brandanschlag, und schließlich wurde Brent Spar, wie von Greenpeace gefordert, an Land entsorgt.
Zwar wiesen Wissenschaftler darauf hin, dass Rohöl natürlicherweise an dem geplanten Versenkungsort am Meeresgrund vorkomme und sogar förderlich für die dort lebenden Mikroorganismen sein könne. Egal. Die Kampagne war für Greenpeace entschieden, selbst als die Organisation später zerknirscht falsche Zahlen einräumte. Shell gelobte Besserung, David hatte über Goliath gesiegt. »David Greenpeace« verbuchte zuletzt allein in Deutschland ein jährliches Spendenaufkommen von mehr als 50 Mio. €.
Warum wir das hier so ausführlich erzählen? So funktionieren Kampagnen. Ölkonzerne waren gestern. Mit dem Atomausstieg ist hierzulande ein weiteres wichtiges Protestziel verloren gegangen. Umweltorganisationen und andere Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) – Kritiker sprechen aufgrund der Finanzstärke und des professionellen Managements hinzuweisen. Ob Glyphosat oder intensive Tierhaltung: Das Perfide und medial überaus Erfolgreiche ist, dass die Campaigner »ihre« Experten gleich mitliefern. Auch wenn dann Aussage gegen Aussage steht, sind diese oft meinungsbildend in der medialen Scheindebatte. Wenn David gegen Goliath antritt, wer von ihnen ist wohl glaubwürdiger?
Die Landwirtschaft und letztlich jeder einzelne Betrieb ist aus mehreren Gründen für Kampagnen geeignet. Es beginnt damit, dass sich die »Arbeitsgrundlagen« hervorragend emotional besetzen lassen: Natur, Umwelt und Tiere. Über die emotionale Ansprache gelangt der Protest zuverlässig in die Medien und damit in die öffentliche und politische Wahrnehmung. Den Erfolg bringen dann Angstbotschaften: »Pflanzenschutzmittel belasten Natur und Mensch«, »Dünger schädigt Boden«, »belastete Futtermittel und Tiermedikamente sorgen für schädliche Nahrungsmittel«. Kurz: Bange machen gilt, und einer ist schuld. Landwirte müssen dafür herhalten. »Negative Campaigning« lautet der Fachbegriff für dieses Tun – »Schmutzkampagne« trifft die Sache eher. Der Gegner wird in ein schlechtes Licht gerückt, um die eigenen Ziele zu erreichen. Ziel ist es, das (vermeintlich) Negative am anderen hervorzuheben, um dessen Image und damit seine Glaubwürdigkeit zu untergraben. Negatives Campaigning ersetzt die sachliche Diskussion durch eine persönliche Auseinandersetzung. Es geht dabei weniger um Fakten, sondern um Köpfe.
Fraglos sind Prozesse und Strukturen der Landwirtschaft wie in jedem Wirtschaftszweig verbesserungsfähig. Doch negatives Campaigning verhindert genau das, weil eine echte Diskussion auf Augenhöhe nicht stattfindet. Wer meint, dass sein eigener Betrieb davon nicht betroffen sein könne, sollte sich nicht täuschen. Spätestens, wenn die nächste Kampagne bis zur Lokalzeitung und dem Regionalsender vordringt, ist das Ganze im Dorf und auf dem Hof angekommen.
Was können Landwirte dagegen tun? Zuletzt haben sich virtuelle Netzwerke (»Social Media«), unabhängig von Standort und Zeit, zu einem extrem wichtigen Kampagneninstrument entwickelt. Dort zeigen aber auch Landwirte, dass sie in der Lage sind, die Themenhoheit (zurück) zu gewinnen.
Zahlreiche Initiativen wie »Frag doch mal den Landwirt«, »Landwirtschaft im Bild« und andere beweisen, dass sich eigene Themen setzen oder Diskussionen mitbestimmen lassen. Das geht nicht mit einer Agrar-Kommunikation alter Prägung: Fakten servieren und fertig. Schlagfertigkeit, Schnelligkeit und Humor inklusive Selbstironie sind gefragt. Verbissene Rechthaber, die haufenweise Fakten auftürmen, kommen gar nicht gut an.
Einen neuen Weg, negative Kampagnen zu verhindern oder auszuhebeln, ging zuerst Werner Schwarz, Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein. Er installierte eine Webcam im Stall als Beitrag zu einer »entwaffnenden Kampagne«. Wer will, kann sich Videosequenzen im Internet anschauen. Er stößt auf unerwartet ehrliche Bilder, selbst von toten Ferkeln, weil diese zur Realität im Stall gehören. Das verschafft dem Projekt eine bemerkenswerte Aufmerksamkeit. Wichtig ist, dass solche Bilder vom Landwirt kommentiert werden, um die Betrachter nicht allein zu lassen.
Kritiker versuchten natürlich, sich an der Webcam abzuarbeiten. Aber die Transparenz verfehlte ihre Wirkung nicht, denn sie verdeutlichte: Landwirte sind bereit zur Diskussion. Was Shell vor zwanzig Jahren nicht schaffte, ermöglichte die Webcam im Stall: das Bildermonopol der Protestunternehmen zu knacken.
Negativ Campaigning, so zeigt sich bei solchen Gegenaktionen, ist ein zweischneidiges Schwert. Es kann sich auch gegen die Glaubwürdigkeit der Absender kehren. Das haben NGO bereits erleben müssen. In allen Fällen wurden Themen allerdings nicht von den Medien aufgedeckt, sondern vonseiten der Landwirtschaft recherchiert und aktiv bekannt gemacht. Entwaffnende Kampagnen zu fahren, kann also auch bedeuten, den Kritikern die Waffen aus der Hand zu schlagen. Denn auch die moralische Wächterfunktion der NGO ist nur auf Zeit verliehen.
Die Kampagne des BUND zur Grünen Woche 2014 (»Hormone in der Schweinehaltung«) ist ein Beispiel dafür. Nachdem die Medien bemerkten, dass die Studie zum Thema auf uralten Zahlen beruhte und lediglich dazu diente, die Massen in Erregung zu bringen, wurde der BUND medial abgestraft.
Fazit. Die Nichtregierungsorganisationen machen mit ihren Kampagnen zwar massiv Ärger. Aber die Auseinandersetzung mit ihnen hat erst begonnen!
Dietrich Holler, DLG, & Sönke Hauschild, Bauernverband Schleswig-Holstein
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