Was Medien besser machen könnten

Rotes Quadrat. Malerischer Realismus einer Bäuerin in zwei Dimensionen, 1915. Kasimir Malewitsch

Ein öffentlicher Facebook-Post von Christina Annelies, der das Verhältnis der Medien zur Landwirtschaft – speziell Tierhaltung – beleuchtet, spricht einige interessante Punkte an. Die Autorin hat uns erlaubt, ihren Beitrag auch hier zu veröffentlichen:

Ich nehme unseren Medien ihre Berichterstattung über angebliche Missstände in der Nutztierhaltung übel. So sehr, dass mir mein Vertrauen abhanden kommt. Nicht nur in die landwirtschaftliche Berichterstattung, sondern grundsätzlich. Weiß ich, wie oberflächlich die Recherche war zu einem Thema, wie voreingenommen der Autor an die Arbeit gegangen ist und mehr Meinung hat einfließen lassen als überprüfte Fakten?

Gerade wenn das Bashing wieder mal so richtig heftig im Gange ist wie in diesen Tagen, muss ich mir Dirk Fisser von der NOZ oder Jost Maurin von der taz, der trotz seiner Ablehnung der Massentierhaltung um Ausgewogenheit bemüht ist, vor Augen halten. Um nur einige wenige zu nennen. Die NZZ empfinde ich als angenehm ausgewogen.

Übrigens geht meiner Wahrnehmung nach die Tendenz dahin: Je mehr ein Medium ein Leitmedium ist, desto schlimmer wird es.

Warum mein Vertrauen in die Berichterstattung schwindet? Im Folgenden will ich das begründen, auf der Basis meiner Medienbeobachtungen der letzten Jahre. Außerdem habe ich vor Jahren Publizistik studiert. Einiges aus den Theorie-Vorlesungen ist hängen geblieben.

  1. Tierrechtlerorganisationen wie Peta oder Ariwa wollen die Nutztierhaltung kompromisslos abschaffen und treten für den Veganismus ein. Angesichts dieser extremen Voreingenommenheit, die in diesem NOZ-Artikel perfekt zum Ausdruck kommt, bedeutet journalistisch saubere Arbeit, die Quellen sehr sorgfältig zu prüfen. Am besten natürlich, indem man selbst im Stall gucken geht, was an den Vorwürfen dran ist. Nichts davon geschieht, wie dieser Beitrag von „Wir sind Tierarzt“, aufzeigt.
    Es müsste übrigens auch erwähnt werden, wie es um die Ausrichtung einer Quelle bestellt ist. Beispiel Zigaretten: Berichte ich über eine von Philip Morris gemachte Behauptung, Rauchen schade nicht der Gesundheit, füge ich selbstverständlich hinzu, dass es sich um einen Tabakkonzern handelt.
    Was passiert stattdessen? Die SZ lässt Hilal Sezgin ausführlich über den Alltag in der Haltung von Hähnchen-Elterntieren berichten. Dass sie Tierrechtlern ist und damit per se die Nutztierhaltung kompromisslos ablehnt („Artgerecht ist nur die Freiheit“), findet keine Erwähnung. Nur ein Beispiel, wenn auch ein extremes.
  2. Es kommt regelmäßig vor, dass Landwirte zu Unrecht der Tierquälerei beschuldigt wurden. Oft wird dies erst Monate später bekannt. Bis dahin sind Landwirtsfamilien oder Betriebe massenmedial regelrecht fertig gemacht worden – ohne eine adäquate Rehabilitation. Ein „im Zweifel für den Angeklagten“ gibt es viel zu selten. Lokalzeitungen sind m.E. oft die wohltuenden Ausnahmen von der Regel.
  3. Dass es erwiesenermaßen immer wieder zu Manipulationen gekommen ist, ficht viele Medien nicht an. Auch nicht, dass das Material das Ergebnis ist von „Einbrüchen“. Das Wort „Einbruch“ darf ich eigentlich nicht verwenden. Daher ziehe ich „Einbruch“ zurück. Also: Besuch!
    Bilder stammen schon mal aus anderen Ställen als behauptet. Tote, besonders eklig anzusehende Schweine werden aus der Kadavertonne gehievt und in eine Bucht geschleift und in den Trog gelegt. Ein Güllekeller wird geflutet, damit die Tiere auch wirklich zentimeterhoch in Exkrementen stehen. Nachts sieht ein Stall selten ansprechend aus, erst recht nicht, wenn man die Tiere aus dem Schlaf reißt und in eine Ecke treibt, in der sie panisch verharren. Dass das gerade für Geflügel lebensbedrohlich werden kann, interessiert die „Besucher“ marginal.
  4. Bilder werden nicht eingeordnet. Sieht das Geflügel grässlich zerrupft aus, ist es oftmals die Mauser, also etwas völlig Normales. Werden Ferkel an der Buchtenwand totgeschlagen, ist die Tötungsmethode zwar (mittlerweile) die falsche und zu beanstanden. Aber die Tötung nicht lebensfähiger Tiere hat aus Tierschutzgründen nunmal zu erfolgen. Das sieht nie schön aus – und ist es auch nicht. Hängen bei einem Schwein die Gedärme aus dem After, weiß ich als Tochter eines Landwirtes, dass das vorkommt. Es ist nicht schön, aber bei Schweinen normal. Landwirte kontrollieren i.d.R. zwei Mal am Tag die Ställe und bringen kranke Tiere in ein Krankenabteil. Oder das Kupieren von Schweineschwänzen – da wird nichts brutal abgeschnitten. Es geht so schnell, dass die Tiere nicht einmal quieken. Das Ergebnis des Eingriffs: Die Tiere knabbern sich ihre Schwänze nicht an, was eine sehr schmerzhafte Angelegenheit ist. Schwanzbeißen wiederum hat verschiedene Ursachen, nicht nur die Besatzdichte, wie gerne unterstellt wird.
    All diese Infos erhalten die Mediennutzer längst nicht immer. Eine Einordnung sollte aber selbstverständlich sein. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass das Gros der Deutschen niemals einen Bauernhof oder einen Stall betreten hat.
  5. Es kann einfach nicht sein, dass viele unserer Leitmedien auf der Basis von Tierrechtlermaterial die Behauptungen von NGO übernehmen, die dokumentierten Zustände seien Alltag in der deutschen Nutztierhaltung. Es sind unbewiesene Behauptungen. Ergebnis: Sämtliche Tierhalter des Landes werden pauschal als Tierquäler verunglimpft.
  6. Tierrechtler dokumentieren über Wochen, Monate und auch schon mal über ein Jahr angebliche Tierquälereien. Sie rufen aber weder die Polizei, noch die Behörden oder wenden sich sofort an die Medien. Nein, sie filmen weiter. Um Tierschutz kann es also nicht gehen. Wer sich davon nicht distanziert, macht sich meiner Meinung nach zum Erfüllungsgehilfen. Wie die ARD, die SZ, Der Spiegel, BR, NDR und viele mehr es schon getan haben.
    In dem Thema Nutztierhaltung bzw. Landwirtschaft steckt enormes Potenzial: Spendengelder für NGO, Wählerstimmen für Parteien, Aufmerksamkeitsgewinn für Medien.

Nun denn, die Nutztierhaltung in Deutschland soll abgeschafft werden. Da die Tierrechtler bzw. ihre Positionen immer größeren Einfluss zu nehmen scheinen, stehen die Chancen nicht schlecht. Egal, dann kommen die tierischen Erzeugnisse halt aus dem Ausland. Aus Ländern mit deutlich schlechteren Haltungsbedingungen. Die Deutschen lassen sich ihr Grillfleisch und ihren Aufschnitt nun mal nicht vom Teller nehmen.

Und wenn die Nutztierhaltung abgeschafft ist, tja, DANN seid Ihr dran, meine lieben Katzen-, Pferde-, Hunde-, Karnickel- und Wellensittichbesitzer. Denn artgerecht ist nur die Freiheit. Das ist todernst gemeint und bezieht sich nicht nur auf Nutztiere!

„Das Tier ist der neue Mensch.“

Christina Annelies

2 Gedanken zu „Was Medien besser machen könnten

  1. hans kreimel

    die übergriffe sind nicht neu. ich frag mich, warum man sie lange ignoriert und erduldet hat. in anderen bereichen machen sie das maul auf und sie werden so in grund und boden verklagt, dass sie nicht mehr wissen, wie ihnen geschieht.

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  2. barbara

    Nachdem wir in unseren Breiten noch keine Hunde, Katzen oder Wellensittiche essen, glaube ich nicht, dass bald die Haustierbesitzer an der Reihe sind.

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