Von Sören Schewe
Hugh Ingalls ist Rancher in South Dakota. Gefunden habe ich ihn über YouTube, wo er in einem Video für den Kanal “I Am Angus” mit seiner Frau über den Verlust von 200 Rindern während eines Schneesturms berichtet. Eine traurige Geschichte – man merkt, dass es den beiden nahe geht, während sie darüber sprechen. “They were waiting for me” – aber Hugh konnte ihnen nicht mehr helfen, das Wetter ließ es nicht zu. So traurig diese Geschichte ist, hat sich Hugh nichts vorzuwerfen. Die Tiere lebten schließlich draußen auf der Weide – viel art- oder tiergerechter geht es nicht mehr. Oder ist genau das vielleicht das Problem? Hätte im Gegensatz dazu eine Stallhaltung nicht vielleicht doch eher Tierschutz und Tierwohl entsprochen? Fragen, die gerade in den USA jetzt wieder neues Feuer bekommen haben.
Dort hat im letzten Winter der Schneesturm Goliath ebenfalls vielen auf Weiden, zumindest aber draußen gehaltenen Rindern das Leben gekostet. Im entsprechenden Artikel bei “Wir sind Tierarzt”, auf den ich mich hier beziehe, ist von 12.000 toten und 40.000 vermissten Rindern die Rede. Fleischrinder werden in den USA gewöhnlich für 12-18 Monate auf Weiden (den Ranches) gehalten, bevor sie dann für drei bis sechs Monate in Feedlots untergebracht werden. Für Milchkühe gibt es neben den auch hier bekannten Ställen sogenannte “Open Lots”, das sind Ställe ohne Dächer.
“Lasst die Tiere nur einmal Sonnenlicht sehen und frische Luft atmen.” Mit diesen Worten zitiert David Fraser Astrid Lindgren, die unter anderem die Pippi Langstrumpf-Geschichten erfunden hat. Das liegt jetzt ein paar Jahrzehnte zurück, der grundsätzliche Ton in Debatten um landwirtschaftliche Tierhaltung hat sich aber bis heute kaum geändert. Noch immer gilt die extensive “Draußen-Haltung” für Nutztiere als weitaus tiergerechter und erstrebenswerter im Vergleich zur häufiger zu findenden intensiven “Ganzjahresstall-Haltung”.
Jetzt ist diese Debatte weder wissenschaftlich noch praktisch nahe der Realität. In den USA ist das nicht anders. Dort könnten allerdings die extremen Wetterkapriolen der jüngeren Vergangenheit für ein Umdenken sorgen – zumindest aber helfen, die Debatte ein bisschen sachlicher zu gestalten. Das könnte gleichermaßen Chance und Herausforderung werden, schließlich darf es nicht um ein gegenseitiges Ausspielen extensiver und intensiver Haltungsbedingungen gehen. Das passiere aber leicht, wenn Verbraucher nur dann Einblicke in große Ställe bekommen, wenn es sich um verwackelte Aufnahmen aus “Nacht und Nebel”-Aktionen handelt. Ich kann der Autorin des Artikels Annegret Wagner hier absolut zustimmen.
Wenn die vielen toten Rinder in den USA noch für etwas gut sein sollen, dann doch bitte für eine ehrliche Debatte. Natürlich sind Rinder gerne auf der Weide – nur eben nicht im Schneesturm oder – im Falle von Milchvieh – auch nicht bei 30 Grad im Sommer bei nur wenig Schatten. Ach, matschige Weiden sind übrigens auch nicht so geil.
Frau Wagner schreibt, es gelte hier abzuwägen. Egal ob extensiv oder intensiv – eine Form der Tierhaltung ohne Nachteile gebe es nicht. Absolut richtig. Als Wissenschaftsblogger verweise ich hier gerne auf meinen Artikel zu David Fraser, der sich diesem “trade off” zwischen Tierschutz (ein Stall mag weniger spannend sein, schützt aber vor Wetter und Parasiten) und Tierwohl (Yay, ab nach draußen!) intensiv gewidmet hat.
Kurz zusammen gefasst: Tierwohl und Tiergesundheit sowie Tierschutz hängen unmittelbar zusammen. Nur ein gesundes Tier kann sich auch wohlfühlen, umgekehrt hat eine kranke Kuh auf der Weide alles andere als eine gute Zeit. Nur am Rande: mich ärgert das immer sehr, wenn über Tierwohl als zusätzlicher Luxus gesprochen wird, das ist Quatsch. Werde darauf noch in einem eigenen Artikel eingehen.
Schließen möchte ich diesen Artikel mit ein paar Gedanken zur Geschichte der Ingalls. Ich kenne das Video schon eine Weile und es berührt mich immer wieder. Wenn ich mir einige der vielen Debatten über Landwirtschaft und Tierhaltung anschaue, beobachte ich noch ein größeres Verständnis-Problem an anderer Stelle. Es ist für viele Menschen schwer zu begreifen wie man um tote Tiere trauern kann, die ohnehin irgendwann zum Schlachthof gekommen wären, um dann als Steak auf unseren Tellern zu landen.
Sehen wir das als Herausforderung der Öffentlichkeitsarbeit an – denn auch unsere Landwirte in Deutschland sehen tote Tiere in ihrer Verantwortung alles andere als gerne.
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Meine verwendeten Quellen:
Pingback: [Agrar-Blogger] Tiergerechtes Erfrieren
Das Video ist wirklich traurig aber ich denke das dass “okay” war. Das Leben welches die Tiere hatten war wenigstens bis dahin lebenswert. Sie wurden nicht eingepfercht um dabei auf ihren Tod zu warten.
Natürlich ist das tragisch aber es war immerhin Mutter Natur.
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