Was bringt eine nationale Nutztierstrategie?

Prof. Dr. Folkhard Isermeyer

Prof. Dr. Folkhard Isermeyer (Foto: DLG)

Von Sören Schewe

Prof. Dr. Folkhard Isermeyer vom Thünen-Institut in Braunschweig hat sich einige Gedanken zur Landwirtschaft im Spannungsfeld zwischen Weltmarkt und kritischer Bevölkerung gemacht und plädiert dabei auf Basis seiner Erkenntnisse für eine nationale Nutztierstrategie.

Schauen wir uns mal an, was das ist und was davon zu halten ist.

Der landwirtschaftliche Strukturwandel schreite ungehindert voran – eine Entwicklung, die zu zunehmend größeren Betrieben führe, was beim kritischen Publikum unerwünscht sei, so Isermeyer. Aber auch die Nutztierhalter seien verunsichert. Fragten zum Beispiel investitionsbereite Schweinehalter in welche Richtung sich ihr Bereich entwickeln werde, erhielten sie aus Politik, Wissenschaft und von Beratern viele Einzelmeinungen, aber nichts Konkretes.

Isermeyer zufolge gelte es folgende Herausforderungen zu meistern:

  • die gesellschaftlichen Ziele bezüglich Naturschutz, Klimaschutz usw. mit Bedacht festzulegen, möglichst in Kenntnis aller (das heißt der auch unerwünschten) Folgen,
  • ein Instrumentarium zu wählen, dass diese Ziele zu möglichst geringen Kosten erreicht.

Die „nationale Nutztierstrategie“ soll hier Abhilfe schaffen. Isermeyer skizziert hier drei mögliche Aufgaben. Sie soll:

  1. der Wirtschaft wieder eine klare Orientierung geben,
  2. in offenen Märkten funktionieren und
  3. schrittweise zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung führen.

Damit sich auch niemand auf den Schwanz getreten fühlt, hält Isermeyer es für notwendig, dass im Rahmen einer Lösungsfindung natürlich auch alle an einem Tisch sitzen müssen. Dazu zählt er gleichermaßen Politik, Wirtschaft sowie Tier- und Umweltschutz-Verbände.

Kommen wir jetzt mal zu jenen Punkten, die ich für diskutabel halte. Allerdings werde ich Isermeyers Idee hier jetzt nicht rupfen wie ein Huhn – erstens gefällt mir das Konzept und zweitens mangelt es mir an einer brauchbaren Alternative. Trotzdem halte ich einige Überlegungen für bedenkenswert und werde meine Gedanken dazu erläutern. Here we go. Zitat:

Die Ausgangssituation: Nach Meinung vieler Bürger entwickelt sich der Agrarsektor in eine problematische Richtung. Die meisten Kritiker kreiden diese (gefühlte) Fehlentwicklung aber nicht den Landwirten an, sondern sehen das eigentliche Übel im marktwirtschaftlichen System, in den finanziellen Interessen der vor- und nachgelagerten Konzerne und/oder in einer Fehlsteuerung durch die Politik. Die Landwirte haben überwiegend ein gutes Ansehen, und ihnen wird eher Mitgefühl zuteil, weil sie (gefühlt) trotz harter Arbeit wenig Geld verdienen.

Naja, hört man Landwirten in sozialen Netzwerken oder auch ganz „old school“ im direkten Gespräch zu, stellt sich die Situation durchaus anders dar. Wenn in Medien von Massentierhaltung oder der bösen Agrar-Industrie die Rede ist, während Bio als bessere Alternative postuliert wird, fühlen sich konventionelle Landwirte schlicht angegriffen, schließlich tun sie – entgegen dessen, was suggeriert wird – nichts Verwerfliches. Die Bauernbewegung „Wir machen Euch satt„, die in Windeseile als Gegenstück zur „Wir haben es satt„-Demo während der Grünen Woche 2015 in Berlin gestartet wurde, illustriert das Bedürfnis nach einer Gegendarstellung sehr gut. Ginge es den Kritikern lediglich um die Kritik am marktwirtschaftlichen System, müssen sie ihre Strategie nochmal überdenken.

Wenn ich nichts übersehen habe, skizziert Isermeyer die potenziellen Protagonisten der Nutztierstrategie als für sich agierende Gruppen. Allerdings sind ja gerade die Verbraucher nicht aus sich heraus kritischer geworden. Da gab es natürlich gewisse Wechselwirkungen mit den Tierschutz-Organisationen, die wiederum die Medien als zuverlässiges Sprachrohr gewinnen konnten.

Isermeyer schreibt selbst, dass es immer Hardliner gäbe, wir es aber trotzdem probieren sollten. Dem stimme ich zu. Allerdings würde ich mir zu Beginn die Erstellung eines Fundamentes wünschen, auf dessen Basis dann konstruktiv gearbeitet werden kann. Welche Art von Tierwohl streben wir an? Fraser beleuchtet in seinem Buch sowie dem gleichnamigen Paper „Understanding Animal Welfare“ einige wichtige Aspekte.

Zugegeben, die Idee eines Fundamentes zur Debatte stammt nicht von mir, sondern von Hemsworth und Coleman, die sich in ihrem Buch Human Livestock Interactions im zweiten Kapitel ausführlich mit dem Problem einer Gesellschaft befassen, die die meisten Informationen aus „Massenmedien“ erfährt, die aber selten in die Tiefe gehen.

Es fehlt der Gesellschaft also ein fundierter Überblick, was die Beurteilung gewisser Praktiken in der Tierhaltung erschwert. Weder Hemsworth und Coleman noch Fraser bestreiten einen gesellschaftlichen Wandel in der Mensch-Tier-Beziehung. Allerdings sollten wir auch klären, wer diesen Wandel angeführt hat.

Angenommen, dass die für eine gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung anfallenden Investitionen gesichert sind, bleiben schließlich immer noch Gesetze und Auflagen, die die Landwirte erfüllen müssen – und die gewissen Ansichten der Gesellschaft zuwider laufen könnten. Letztlich wird es keine Tierhaltung ohne „trade off“ geben. Jede Form der Tierhaltung hat Vor- und Nachteile. Da sollten wir uns keine Illusionen machen.

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