Redet miteinander!

Ein Gastbeitrag von Sören Schewe

Schaut man sich Ergebnisse aus der Konsum-Forschung wie bspw. die Bereitschaft zur Zahlung höherer Preise für eine tierwohl-orientierte Tierhaltung im Vergleich zur Realität an oder beobachtet das Empörungs-Potential in den Medien über vermeintliche Massentierhaltung, kommt man nicht um die Feststellung eines gewissen Grabens umhin, der Landwirte als Produzenten und uns als Konsumenten trennt. Zu diesem Ergebnis kommen auch die Autoren des wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) in ihrem Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung„.

Als möglichen Ausweg aus diesem Dilemma präsentieren die Autoren die sogenannte deliberative Bürgerbeteiligung. Darunter versteht man laut Definition dialog-orientierte Verfahren, in denen Bürgerinnen und Bürger, zivilgesellschaftliche Akteure sowie Entscheidungsträger frühzeitig im politischen Prozess zusammengebracht werden, um sich gemeinsam auszutauschen – idealerweise mit dem Ziel einer auf Konsens beruhenden Entscheidung.

Zwar ist dieses Verfahren im Bereich der Nutztierhaltung noch nicht all zu sehr verbreitet, ein gut funktionierendes Beispiel wird im WBA-Bericht aber erwähnt: die Entwicklung des Tierschutzplans Niedersachsen. Dieser wurde 2011 von der schwarz-gelben Regierung ins Leben gerufen und später dann von Rot/Grün fortgeführt. In der Praxis haben wir dann…

…einen strukturierten Prozess, in dem Umsetzungsempfehlungen für politisch gesetzte Zielgrößen des Tierschutzes im Diskursprozess verschiedener Stakeholder erarbeitet werden. Die fachliche Erarbeitung dieser Empfehlungen für zwölf Tierarten erfolgt in acht Arbeitsgruppen. Konfliktpunkte werden durch einen Lenkungsausschuss moderiert.

Darüberhinaus machen die Autoren auch Vorschläge, wo sich ebenso deliberative Verfahren einsetzen ließen. Auf lokaler Ebene könnten diese bei der Planung von Stallanlagen helfen. Eine gute Idee, kommt es doch hier immer wieder zu Konflikten, wenn Anwohner gegen den Bau neuer „Mega-Ställe“ protestieren. Auf Landes- und Bundesebene gäbe es die Möglichkeit, auf diese Weise Planungen zu Tierschutz-Plänen zu unterstützen. Außerdem findet sich auch noch die Idee zur Nutzung bei Zielkonflikten. Als Beispiele nennen die Autoren Freilandhaltung und Außenklimaställe. Die Idee zur Nutzung dieses Verfahrens in der Wirtschaft, um Bürger-Interessen zu berücksichtigen, halte ich dagegen für leicht gewagt. Denn letztlich kommt es hier vor allem auf eine gute breite Kommunikation und damit auf die Verfügbarkeit des Produktes an, damit es ein Erfolg wird.

Ich denke, ich lehne mich zudem alles andere als weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass ein Konsens in der Tierhaltung zwischen verschiedenen Gruppen eine Illusion ist. Das dämmert auch den Autoren des WBA-Berichts am Ende des Kapitels.

Wer für einen ersten Überblick eine direkte Kommunikation ohne Mittelsmänner und Repräsentanten wünscht, muss ohnehin woanders schauen, Stichwort Soziale Medien. Netzwerke wie Facebook oder Twitter bieten genau das. Allerdings: dort wo Menschen direkt aufeinander treffen, prallen nicht selten auch Emotionen heftig aufeinander. Während landwirtschaftliche Laien durch die jeweilige Berichterstattung angespitzt gegen Agrarindustrie und Massentierhaltung poltern, sehen Landwirte wiederum die Notwendigkeit der Verteidigung. Da kann es schon mal für alle Beteiligten ungemütlich werden.

Aus eigener Erfahrung als Wissenschaftsblogger mit Fokus auf der landwirtschaftlichen Tierhaltung kann ich allerdings sagen, dass sich die direkte Kommunikation absolut auszahlt. Das Interesse ist da. Und nein, da sind nicht nur laute Trolle im Internet unterwegs, was ich mit der Kommentar-Kultur meines Blogs auch belegen kann. Ansonsten wäre ich als Stadt-Mensch auch nie derart in diesen Themenbereich eingestiegen. Durch die Mischung aus Fachleuten und Laien in der Leserschaft habe ich mit der Zeit viel gelernt – fachlich, aber auch bzgl. der Sorgen, die Menschen beim Einkauf umtreiben, unabhängig davon, was Medien etc. gerade für relevant halten.

Frag den LandwirtAuch die Landwirtschaft selbst war zuletzt nicht untätig, um den Kontakt zu uns Konsumenten in der Stadt möglichst direkt zu gestalten. Aktuell 13.491 Likes für die Facebook-Seite „Frag den Landwirt“ sind schon eine Zahl, mit der sich arbeiten lässt. Auch einige Blogs gibt es mittlerweile – teils auch schon länger, die aber erst jetzt verstärkt in den Fokus rücken. Nicht zuletzt soll auch hier über Landwirtschaft diskutiert werden.

Nicht falsch verstehen: ich halte das Konzept der deliberativen Bürgerbeteiligung für ein gutes Konzept, um die Gedanken der beteiligten Protagonisten mit Hilfe fachlicher Begleitung zu ordnen ohne sich im Hinblick auf das gesteckte Ziel zu verlieren. Besonders wichtig scheint mir dabei der Unterschied zwischen dem deliberativen Verfahren und Verhandlungsprozessen, in denen Interessengruppen lediglich ihre eigenen Standpunkte bestmöglich durchzusetzen versuchen.

Wenn es aber um die Überprüfung des eigenen Blickwinkels geht, sollte das meiner Erfahrung nach in Ruhe geschehen, um Gedanken auch rekapitulieren zu können. Angebote wie „Frag den Landwirt“, Blogs sowie dort geführte Diskussionen können dabei einen bedeutenden Beitrag leisten, um diese Lücke zu füllen. Schließlich ist nicht nur die Gesellschaft vielfältig, auch in der Landwirtschaft denken nicht alle gleich.

Quellen:

  • WBA-Bericht, Punkt 6.4.3 Verbesserte Steuerung durch deliberative Bürgerbeteiligung
  • Als ich von Lesern meines Blogs gebeten wurde über eine Petition gegen Massentierhaltung zu schreiben, schnellten Kommentare und Klickzahlen rasant in die Höhe. Sogar die Initiatoren der Petition meldeten sich zu Wort ohne ausfallend zu werden – was übrigens auch bei den über 100 anderen Kommentaren nicht der Fall war.

15 Gedanken zu „Redet miteinander!

  1. Pingback: Über die Kluft zwischen Landwirten und Konsumenten › Vom Hai gebissen › SciLogs - Wissenschaftsblogs

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  3. ina

    Hallo Herr Schewe, wie immer eine sehr gute Analyse. Das Dilemma der zukunftsorientierten Landwirtschaft scheint mir aber nicht der Dissenz mit DEN unterschiedlichen Gruppen unserer Gesellschaft, sondern mit einer „kleinen“ Gruppe, gut vernetzter Kritiker, die lauter „brüllen“ und daher stärker wahr genommen werden, als die Mehrheit der Bevölkerung. Außerdem gibt es das Plus schon längst in Form von Bio, Demeter und Co. und zwar überall verfügbar. Trotzdem handelt es sich, gemessen am LEH Gesamtumsatz um Nischenprodukte und werden es auch bleiben, wenn der dt. Verbraucher nicht bereit ist, mehr als 11 % seines Haushaltsbudgets für Überlebensmittel auszugeben.

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  4. Sören

    Hallo Ina,

    Du sprichst da einen sehr guten Punkt an. Jene, die sehr laut gegen Landwirtschaft wettern, repräsentieren damit nicht unbedingt den Großteil der Gesellschaft, sind aber – wie Du richtig schreibst – sehr gut vernetzt, sodass bspw. auf Facebook durchaus ein gegenteiliger Eindruck entstehen kann.

    Weniger konform gehe ich da mit der Aussage, dass Verbraucher eben nur bereit sein müssten mehr Geld zu zahlen. Ich berichte in meinem Blog seit 2011 über das Privathof-Geflügel von Wiesenhof und weiß, dass einige Leserinnen und Leser durch meine Artikel erst davon erfuhren und es kauften, weil sie mir vertrauten oder meine Erläuterungen für überzeugend hielten.

    Auf Basis dieser Erfahrung glaube ich, dass das simple Konstrukt aus Verbraucher-Umfragen und darauf aufbauenden Angeboten mit einher gehender PR-Kampagne zu einfach ist. Soziale Medien geben uns die Möglicht Zeit zu haben für Menschen, uns direkt mit ihnen zu unterhalten und Vertrauen aufzubauen. Das halte ich für sehr wichtig, um dann auch Verständnis für die Produktion unserer Lebensmittel zu schaffen.

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  5. Mona

    Landwirte und Verbraucher sollten an einem Strang ziehen. Einseitige Schuldzuweisungen bringen uns nicht weiter. Auf Seiten der Verbraucher ist man sich durchaus bewusst, dass man nicht alles was in der modernen Landwirtschaft schiefläuft den Bauern in die Schuhe schieben kann, denn auch sie sind den Gesetzen des Marktes unterworfen und sollen ihre Produkte möglichst billig abgeben. Nach all den Fleischskandalen vertrauen viele Käufer jedoch der Werbung nicht mehr, die uns eine heile Welt vorgaukelt, selbst wenn die Produkte von zweifelhafter Herkunft sind. Erst gestern gab es in der Tagesschau wieder eine Meldung über kriminelle Händler, die den Verbrauchern jahrelang Pferdefleisch untergejubelt hatten, das nicht für den menschlichen Verzehr geeignet war.
    http://www.tagesschau.de/ausland/pferdefleisch-eu-101.html

    Viele Verbraucher fühlen sich in die Irre geführt, weil es auf keiner einzigen Verkaufsverpackung konkrete Aussagen zu den tatsächlichen Haltungsbedingungen der Tiere gibt. Man findet lediglich eine Menge irreführender Label ohne jede Aussagekraft. (Es wird sogar eine Label-App beworben, die man zum Einkaufen mitnehmen kann.) Statt dessen gibt es Bilder in den Medien, die zeigen, dass Tiere in anonymen Agrarfabriken auf engsten Raum leben, keinen Auslauf haben und in kürzester Zeit, vielleicht auch noch unter dem Einsatz von Antibiotika, auf einen hohen Fleischertrag getrimmt werden.

    Wem die Tiere leidtun, der bekommt dann meist zu hören: Der Verbraucher will es so, denn schließlich soll das Fleisch ja möglichst billig sein. Somit bekommt also der Konsument die A….karte in die Hand gedrückt. Dabei sind es oft die großen Handelsketten, die sich einen wahren Preiskrieg liefern und die Bauern unter Druck setzen möglichst billig zu produzieren. Am billigsten können natürlich die „Großen“ produzieren, aber ich weiß nicht, ob alle Tiererzeugnisse in des Supermärkten aus Großbetrieben stammen, weil die meisten landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland ja immer noch Familienbetriebe sind. Von Landwirten, als verantwortungsvolle Nahrungsmittelproduzenten, erfährt man jedoch kaum etwas. Oder gibt es diese vielleicht gar nicht mehr, weil der wirtschaftliche Druck einfach zu groß ist? Es soll Milchbauern geben, die männliche Kälbchen „entsorgen“, weil es sich nicht rentiert sie zu mästen.
    http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/tierhaltung-die-milchindustrie-entsorgt-maennliche-kaelber-a-1029612.html#js-article-comments-box-pager

    Hier würde ich durchaus einen Ansatz für eine „deliberative Bürgerbeteiligung“ sehen. Der Begriff „Deliberation“ stammt aus dem römischen Recht und steht für „beratschlagen, betrachten, bedenken“. Vermutlich hat man gerade diesen Begriff gewählt, damit erst mal ein unverbindlicher Dialog zwischen Landwirten und Verbrauchern stattfinden kann ohne gleich Tatsachen schaffen zu müssen.

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    1. INa

      Hallo Mona, m.W. werden mehr als 80 % aller landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland als Familienbetrieb bewirtschaftet, mittlerweile aber auch mit Fremd-Arbeitskräften und zwar in kleinen und großen Betrieben. Du unterstellst Großbetrieben eine „anonyme“, nicht tiergerechte („auf engsten Raum“) und sogar kriminelle („unter dem Einsatz von Antibiotika“) Wirtschaftsweise, dabei unterscheiden sich die gesetzlichen Anforderungen von klein zu groß nicht, außer dass die Hygienestandards in großen Betrieben strenger sind. Der Einsatz von Antibiotika zur Leistungssteigerung ist in Europa seit 2006 verboten. Jede Medikamentengabe wird dokumentiert und kontrolliert.
      Gegen kriminelle Machenschaften helfen auch die strengsten Gesetze nichts. Hier muss hart durchgegriffen werden. Eine Kennzeichnung von Haltungsbedingungen suggeriert, dass es gute und schlechte Haltungsbedingungen gibt, dabei ist das Management viel entscheidender für das Tierwohl. Kaum ein Verbraucher weiß, dass Strohställe für Schweine im Sommer eine echte Belastung darstellen können oder dass Auslauf zu mehr Emissionen und Nitrateinträgen in den Boden führen kann (bei Freilandhaltung).
      Von Dialog halte ich sehr viel (,mehr als von Umfragen), wenn beide Seiten konsequent handeln, d.h. für Landwirte eine Ausrichtung an den Wünschen der Verbraucher nach qualitativ hochwertigen, tiergerechteren und bezahlbaren Produkten und für Verbraucher die Bereitschaft etwas mehr für derart produzierte Ware zu bezahlen. Die Fettsteuer in Dänemark und die hochpreisigen Fleischwaren in der Schweiz führen aber zu „Hamstereinkäufen“ im europäischen Umland. Was lerne ich daraus: mit der Initiative Tierwohl haben verbraucher erstmals die Möglichkeit, über ihr Einkaufsverhalten den Tierwohlstandard in Deutschland als Ganzes zu beeinflussen – wie beim Ökostromeinkauf. Auch dort weiß der Verbraucher, dass nach wie vor ein Strommix aus der Steckdose kommt. Mit seiner Stromtarifwahl oder seinem Stromeinkaufsverhalten steigert er aber langsam den Anteil erneuerbarer Energien in diesem Strommix ….. . Zumindest habe ich das so verstanden und werde mein Fleisch künftig nur noch bei dem LEH kaufen, der in den Tierschutzfonds einzahlt.

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      1. Mona

        Hallo Ina,
        mir ist die Landwirtschaft nicht gänzlich fremd und ich weiß: „Der Einsatz von Antibiotika zur Leistungssteigerung ist in Europa seit 2006 verboten. Jede Medikamentengabe wird dokumentiert und kontrolliert.“ Fakt ist aber auch, dass, laut einer Studie der nordrhein-westfälischen Landesregierung, bis zu 96 Prozent der Masthähnchen damit behandelt werden. Angeblich sei das eine „ethische Notwendigkeit“, weil die Tiere krank seien und therapiert werden müssten. Ich frage mich, ob solche Verbote überhaupt einen Sinn machen, wenn sie jederzeit umgangen werden können.
        Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/massentierhaltung-der-zoff-um-die-antibiotika-huehner-a-808341.html

        Du schreibst: „mit der Initiative Tierwohl haben verbraucher erstmals die Möglichkeit, über ihr Einkaufsverhalten den Tierwohlstandard in Deutschland als Ganzes zu beeinflussen – wie beim Ökostromeinkauf. Auch dort weiß der Verbraucher, dass nach wie vor ein Strommix aus der Steckdose kommt. Mit seiner Stromtarifwahl oder seinem Stromeinkaufsverhalten steigert er aber langsam den Anteil erneuerbarer Energien in diesem Strommix ….. .“

        Ich weiß jetzt nicht, ob Du damit die von der „Initiative Tierwohl“ angestrebte Massenbilanzierung von Schweinen und Geflügel meinst, die vom Tierschutzbund stark kritisiert wird, weil der Verbraucher dann überhaut nicht mehr erkennen könne, ob das Produkt aus einer herkömmlichen Mast oder aus der nur unzureichend veränderten Intensivhaltung stamme. Dieses Unterfangen wurde auch in der „Agrarzeitung“ scharf kritisiert. Zitat: „Dabei ist doch die Branchen-Initiative Tierwohl in dieser Form nicht vielmehr als ein leicht durchschaubarer Versuch von Verbrauchertäuschung, der zu allem Übel auch noch die Landwirte belastet.(…) Einzelhandelsketten werden künftig ihr Angebot an Schweine- und Geflügelfleisch so bewerben, als würde es insgesamt aus dem Tierwohl-Programm stammen, auch wenn dies nur für eine Teilmenge zutrifft. Die aber wird nicht gekennzeichnet. Den Konsumenten fehlt somit jegliche Transparenz.“
        http://www.agrarzeitung.de/nachrichten/blog/verbrauchertaeuschung-55112.html

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      2. Sören

        Hallo Ina,

        danke Dir für Deine Antwort zu Monas Kommentar. Dem kann ich nichts mehr hinzufügen. Diese Debatte um kleine gute vs. große böse Betriebe ist ziemlich irreführend. Wie Du schreibst, ist das Management entscheidend. Die Rolle der Tierhalter wird gerne unterschätzt – leider auch seitens der Landwirtschaft, wenn lieber von Effizienz und Melkrobotern gesprochen wird. Das kommt bei Menschen, die Landwirtschaft in weiten Teilen für eine mächtige Agrar-Industrie halten, nicht wirklich gut an. Werde dazu auch noch einen Artikel schreiben. Erscheint dann wahlweise hier oder bei mir im Blog.

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  6. Andreas H.

    Zitat: „13.491 Likes für die Facebook-Seite “Frag den Landwirt” sind schon eine Zahl, mit der sich arbeiten lässt. “ Ja, ist eine schöne Zahl. Den „Bauer Willi“ dürften Millionen kennen. Wenn oben gesagt wird: „Redet miteinander“, dann muss man dazu in der Lage sein mit Klugheit und Gelassenheit. Wer durch Berlin stampft und ruft: „Wir machen euch satt…“ wird keine Gesprächspartner finden. Weniger Aktionismus und mehr sensibilität ist angesagt. Ihr gefährdet sonst das Ansehen aller Bauern .

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    1. Sören

      Hallo Andreas,

      da geht gerade etwas durcheinander, obwohl ich Dir durchaus zustimmen kann. Die Zahl der Likes war von mir völlig wertfrei genannt. Die ist nun mal da und – wie gesagt – damit kann man arbeiten. Ob das auch über längere Zeit klappt und wie es sich weiterentwickelt, das wird die Zeit zeigen. Insgesamt hinkt die deutsche Landwirtschaft bzgl. einer nicht institutionalisierten Kommunikation über Blogs und soziale Medien ungefähr 5-7 Jahre hinter den US-Amerikanern her, was die Erfahrung in diesem Bereich angeht.

      Du hast völlig recht. Zuhören ist ebenso wichtig wie Wortmeldungen, sonst wird man irgendwann stranden. „Wir machen Euch satt“ war – sofern ich das mitbekommen habe – eine eher spontane Aktion als Reaktion auf die größere und ebenso unsensible Demo „Wir haben es satt“. Ob das nun gut oder schlecht bzw. sinnvoll war, darüber lässt sich diskutieren.

      Ich glaube übrigens nicht, dass Bauer Willi tatsächlich so bekannt ist wie Du schreibst. Aufmerksamkeit ungleich Wahrnehmung, das weiß jeder, der die eigene Blogstatistik halbwegs ehrlich betrachtet. Aufmerksamkeit hatte er sicher viel, mit seinem Dialog-Projekt ist er dann aber ordentlich baden gegangen. Sowas kann man eben nicht von heute auf morgen starten, Vertrauen braucht Zeit.

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  7. Ina

    Hallo Mona, ja, die Studie aus dem Hause REMMEL kennt wohl jeder Landwirt, weil es daran wohl so Einiges auszusetzen gibt / gab:http://www.topagrar.com/news/Schwein-News-NRW-Antibiotikastudie-Erneut-falsch-gerechnet-823520.html. Leider bin ich absoluter Laie und muss die Risikoeinschätzung daher Experten über lassen, wie z.B. dem BVLhttp://www.bvl.bund.de/DE/08_PresseInfothek/01_FuerJournalisten/01_Presse_und_Hintergrundinformationen/09_Untersuchungen/2015/2015_03_02_pi_resistenzmonitoring.html.
    Die „Agrarzeitung“ ist mir ziemlich egal. Das „german Dilemma“ scheint auchnzu sein: bevor irgendetwas Oberhaupt eine Chance erhält, um sich vielleicht bewährennzu können, wird es kaputt geredet. Da Du ein wenig „aus der Landwirtschaft kommst“, wird Dich Schwarz-Malerei vermutlich wenig beeindrucken – und du gönnst der ITW eine Chance?

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    1. Mona

      Hallo Ina,
      danke für Deine beiden Links! Zum Einsatz von Antibiotika in der Tiermast gibt es inzwischen wieder neue Pressemeldungen. Gerade las ich in der Süddeutschen, dass bereits bei der Erfassung der Daten geschlampt wurde. http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/antibiotika-in-der-tierzucht-amt-fuer-verbraucherschutz-praesentiert-substanzlose-statistik-1.2456411

      Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ist natürlich wichtig und sollte jedem bekannt sein. Weitere Informationen gibt es hier: https://www.aid.de/

      Zum „german Dilemma“ muss ich allerdings sagen: Ich wäre schon gerne ein wenig optimistischer – allein mir fehlt der Glaube.

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  8. Olaf Christen

    LIeber Sören,

    zwei Anmerkungen zu deinem Beitrag – sicherlich auch, weil hier Wissenschaften und Aktivitäten im Netz direkt angesprochen sind: Da werd‘ ich dann halt aufmerksam.

    Im Gutachten des WBA spielt der von dir thematisiert Dialog eine wichtige Rolle. Ich möchte aber darauf Aufmerksam machen, dass dies nur einen Aspekt der zukünftigen Schritte darstellt. Daneben empfehlen wir – ich schreibe hier persönlich, bin aber Beiratsmitglied – einen Politikmix, um den von uns als „Umbau“ (und bewußt nicht als „Wende“) bezeichneten Richtungswechsel einzuleilten. Erwähnenswert ist auch die zeitliche Perspektive: Es geht hier um Jahrzehnte,damit auch Planungssicherheit bei Investitionen gewährleistet wird. Deutlich angesprochen werden in dem Gutachten zudem die verschiedenen Zielkonflikte, bei denen es zur Zeit auch noch nicht in jedem Fall überzeugende Lösungen gibt. Hier ist die Branche, Politik und auch die Wissenschaft gemeinsam gefordert. Schlussendlich muss mit den Lösungen dann auch die Perspektive der Verbraucherinnen und Verbraucher wie auch die internationale Handelssituation beachtet werden. Niemand hat geschrieben, dass es alles sofort umsetzbar ist und das es einfach wird. Das vielleicht zum Gutachten. Wir werden hier noch viel diskutieren (am heutigen Abend übrigens im Ministerium in Magdeburg).

    Zum zweiten Teil in deinem Blog. Welchen Beitrag können die sozialen Medien leisten? Hier liegt die zukünftige Bedeutung nach meiner Einschätzung an zwei entscheidenden Punkten. Zum einen ist dies die Einbeziehung der Konsumentinnen und Konsumenten. Bei den verschiedenen sozialen Medien wie FB oder auch Blogs läßt sich sehr genau feststellen, wo die regionale Verteilung der „Follower“ lokalisiert werden kann. Bleiben die Landwirtinnen und Landwirte unter sich, werden diese Medien kaum helfen, denn es muss ein Dialog mit der urbanen Bevölkerung stattfinden. Die großen Dialogseiten auf FB könnten dies sehr leicht einmal veröffentlichen. Das fände ich sehr spannend. Ich weiß z.B. sehr genau, dass ich mit meinen Aktivitäten fast nur die Studierenden in Halle erreiche. Nebenbei bemerkt, dies ist auch nur mein Ziel. Damit dieser Dialog gelingt, muss aber der Ton auf den Seiten auch angemessen sein. Genau dies ist nach meiner Einschätzung komplett schief gegangen und übrigens der Grund weshalb Kolleginnen und Kollegen aus der Wissenschaft nicht aktiv teilnehmen. Die persönlichen Drohungen und Beschimpfungen sind unerträglich und lassen sich auch nicht mit Eigenbetroffenheit entschuldigen. Dass es in den Blogs etwas moderater zugeht, liegt an der geringen Wahrnehmung und vielleicht auch an der besseren Moderation. Nur am Rande: der Vergleich mit den USA (und auch Australien) ist hier kaum hilfreich, da das Verständnis für Landwirtschaft und Natur in den USA aus historischen und demographischen Gründen deutlich anders ist als in Deutschland und Europa. Hierzu gibt es in der Forschung auch sehr überzeugende Untersuchungen. Es ist also nicht nur eine Frage der Beteiligung.

    Soviel in aller Kürze (und weiter so).

    Olaf Christen

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    1. Sören

      Lieber Olaf,

      es freut mich sehr Dich hier zu lesen. Dem ersten Teil Deines Kommentars kann ich uneingeschränkt zustimmen. Dass Euer Bericht keine wöchentliche Ausgabe darstellt, war mir bewusst und die Schwierigkeiten in der Umsetzung weiterer Verbesserungen können auch in der Kommunikation nur über einen langen Zeitraum hinweg angegangen werden. Das deckt sich mit dem, was ich auch immer wieder betone.

      Zu einigen Aussagen in Deinem zweiten Abschnitt habe ich durchaus gegenteilige Erfahrungen gemacht. Klar, das ist jetzt nicht wissenschaftlich oder repräsentativ, hat aber meine Art zu bloggen geprägt. Zum einen werden bei mir keine Kommentare moderiert. Alles wird direkt publiziert und ist damit öffentlich (technische Aspekte wie der Spam-Filter, der vielleicht unberechtigt eingreift, mal ausgenommen). Trotzdem hatte ich seither immer positive sachliche Diskussionen. In den Anmerkungen erwähnte ich meinen Artikel über eine Petition gegen Massentierhaltung – eine Diskussion über Wochen inklusive Initiatoren und Erwähnung meines Artikels auf der Petitionsseite. Was war? Nix. Alles ruhig – trotz 5-stelliger Zugriffe. Auch über Wiesenhof konnte ich bloggen ohne dafür beschimpft zu werden. Skepsis gab es hier und da natürlich, aber das ist völlig ok.

      Wie genau meinst Du das mit dem historisch anderen Verständnis bzgl. Landwirtschaft in den USA?

      Als ich meine ersten Artikel über Temple Grandin und Tierwohl schrieb, war ich beinahe gezwungen bei den Amis zu schauen, hier herrschte da blog-technisch noch gespenstische Stille. Was mir dabei gleich gut gefiel: die Landwirte muteten ihren Lesern auch mal was zu. Sie stellten sich nicht permanent die Frage nach Vereinfachung und speziell für Laien zugeschnittene Formate. Das hat mir großen Spaß gemacht und mir auch gerade im Ackerbau – von dem ich keinen Schimmer hatte – viel gebracht. Nicht zuletzt die Diskussionen waren und sind da sehr lohnenswert. Das ist mir ja dann auch gelungen.Noch etwas, was ich „drüben“ gelernt habe: es geht nicht um mich – klingt erstmal kurios, aber es stimmt. Ohne meine geilen Leserinnen und Leser wäre ich ja nie derart am Thema geblieben.

      Dieses Gefühl fehlt in der deutschen Landwirtschaft noch etwas. Aber wie gesagt, das kommt mit der Zeit.

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      1. Olaf Christen

        Nur kurz – das unterschiedliche Verständnis / Wahrnehmung / öffentliche Diskussion über Landwirtschaft in den USA, Kanada oder Australien liegt nach meiner Beobachtung (ich kenne hier keine Empirie) im Gründungsmythus der Länder begründet. Die Urbarmachung spielt, teilweise noch als unmittelbare Erfahrung der Großeltern, eine wichtige Rolle. Landwirtschaft ist daher eher positiv besetzt und wird so auch in der Werbung genutzt (Bsp. God created a farmer). Dies ist in europa deutlich anders. Dass das Naturverständnis anders ist – und hier gibt es Forschung – ist vielfach belegt. In europa versuchen wir eher eine Integration der Umweltziele auch auf der gleichen Fläche, während in den genannten Ländern eher eine Segregation betrieben wird. Es gibt also Abweichungen.

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