Von Crowdfunding zur Crowd-Demo

Viele Landwirte sehen sich derzeit zu Unrecht ständig an den Pranger gestellt. Als „Agrarindustrie“ wird inzwischen jeder Familienbetrieb beschimpft, der nicht der Bauernhofidylle in den Kinderbüchern entspricht. Doch 2014 wird wohl als Jahr der „Netzlandwirte“ (und Netzlandwirtinnen) in die Geschichte eingehen: Viele motivierte Agrarier haben sich in Facebook zusammengefunden, um ihre Stimme gegen unsachliches „Bauernbashing“ zu erheben. Besonders auf Medienseiten, die sachlich fragwürdige oder tendenziöse Berichte posten und ihre Beiträge in TV, Zeitung etc. darüber zur Diskussion stellen, treffen sie sich in hitzigen Diskussionen und schließen sich in Gruppen zusammen.

ZEIT AnzeigeNach einer Artikelserie der Wochenzeitung DIE ZEIT schließlich war das Fass voll: Der Tierarzt Rolf Nathaus organisierte über einen Aufruf und einer Wette auf Facebook Geld für eine Anzeige, die als „offener Leserbrief“ in der ZEIT schließlich am 23. Dezember 2014 erschien. Über 1.800 Menschen aus der Landwirtschaft und dem Veterinärwesen sammelten rund 36.000 Euro für eine halbseitige Anzeige in der ZEIT zusammen. Das erste Crowd-Funding für Agrarkommunikation hat funktioniert. http://blogagrar.de/2014/12/10/endspurt/ und andere Blogs sowie Agrarzeitschriften berichteten darüber. Die Website von Dr. Rolf Nathaus www.dafür-stehen-wir.de erklärt die Hintergründe der Aktion.

Die Kraft der Vernetzung online motiviert nun die „neuen Bauernbünde“, noch mehr aus der Deckung zu gehen – trotz anhaltenden, medialen Dauerfeuers. Denn egal um welche Themen es in der Landwirtschaft geht, die Art und Weise der pauschalen Darstellung und Verallgemeinerungen einzelner „Skandale“ bleibt gleich. Differenzierende Medienbeiträge wie dieser in der F.A.Z. sind zur Rarität geworden. Wobei gerade diese, wenn man den Dialog wirklich wollte, wichtig wären.

Auf private Initiative sind in den vergangenen Monaten mehrere neue Internet- und Facebook-Seiten auf Sendung gegangen, die informieren und den Dialog mit Verbrauchern suchen, z.B.: www.facebook.com/massentierhaltung www.facebook.com/fragdenlandwirt www.stallbesuch.de www.netzlandwirt.de

Die 1. Crowd-Demo: „WIR machen EUCH satt“ in Berlin
DemoDie Initiatoren von www.facebook.com/fragdenlandwirt mobilisieren mit der „Crowd“ im Internet seit dem Jahreswechsel die Agrarbranche sogar für eine Demonstration „WIR machen EUCH satt“ und starteten eine Online-Petition. Die Landesbauernverbände und der DBV unterstützen inzwischen die Aktivitäten tatkräftig. Hier der Text des Aufrufes im Wortlaut:

„Am 17.01.15 ist es wieder soweit, unter dem Motto „Wir haben es satt“ zieht angeführt von Umweltverbänden, Tierschutzorganisationen und den Grünen eine Demo durch Berlin. Sie fordern die Agrarwende, an der heutigen Form der Landwirtschaft lassen sie eigentlich kein gutes Haar. Manche gehen sogar soweit, dass sie die komplette Tierhaltung abschaffen wollen. Wir sind der Meinung, dass wir dies nicht mehr so stehen lassen können. Gemeinsam wollen wir – große und kleine Betriebe, ökologische und konventionelle Betriebe – ein Zeichen setzen:
17. Januar 2015 um 9:00 Washington Platz in Berlin (direkt am Hauptbahnhof)
Wir fordern, dass wieder mit uns und nicht über uns gesprochen wird, denn WIR machen EUCH satt
Bitte erscheint zahlreich und zeigt dass wir Landwirte nicht hinter den Leuten von „Wir haben es satt“ stehen. Zeigt dass wir Landwirte mit Verbrauchern wie auch mit der Politik reden wollen. Macht mit und tanzt um 9:00 Uhr mit uns zusammen den „Farmerstyle“ der Peterson Farm Brothers
Weitere Infos unter http://www.FragdenLandwirt.de und http://www.facebook.com/fragdenlandwirt
Wir hoffen, euch dort begrüßen zu dürfen
Das Team von Frag den Landwirt: Nadine Henke, Kathrin Seeger und Marcus Holtkötter“

Wir wünschen dieser Aktion viel Erfolg und hoffen, dass der erwünschte Dialog beginnt!

(Rainer Winter)

4 Gedanken zu „Von Crowdfunding zur Crowd-Demo

  1. FilFallt

    Hat dies auf FilFallt rebloggt und kommentierte:

    Das Jahr ist noch gar nicht so alt, und in Facebook und anderen sozialen Netzwerken überschlagen sich derzeit die Schlagzeilen und Aktionen rund um Landwirtschaft. Nun, die grüne Woche steht bevor, und da suchen viele das Rampenlicht. Schön, dass dieses Jahr auch die Landwirte schon im Vorfeld wahrgenommen werden können.

    Im Blog „Die Agrarblogger“ hat Rainer Winter die aktuellen Diskussionen mal zusammengefasst und bringt so vielfältige Informationen zusammen.
    Lesenswert!

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  2. Pingback: [Agrar-Blogger] Von Crowdfunding zur Crowd-Demo | netzlesen.de

  3. vocato

    Die „Industrie“ muss eben mehr kommunizieren… Dass viele Menschen noch das idyllische Bauernhof-Bild im Kopf haben, liegt auch daran, dass die moderne (und sehr faszinierende) Landwirtschaft den Menschen noch nicht nahegebracht wurde. Dazu müssten sich auch die größeren Medien (nicht nur Fachmedien) mit diesem Thema beschäftigen – sie tun es zu selten, und wenn, dann wie zuletzt in der ZEIT: reißerisch und negativ.

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